SPD-Fraktion, Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Fraktionsgemeinschaft VOSI/ PIRATEN
Antragstitel:
Prüfung der Standortrevitalisierung Talsperre Euba
Beschlussvorschlag:
Der Stadtrat beschließt, sich für die Revitalisierung des Standorts an der Talsperre Euba einzusetzen und fordert
hierzu die Verwaltung auf:
1) die wirtschaftliche Realisierbarkeit der Talsperrensanierung mit der naturverträglichen Entwicklung des Standorts, zum Beispiel zum Natur- und Erholungsbad, zu prüfen,
2) hierzu komplexe Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen durchzuführen, die den Vergleich zu den auch bisher entstehenden Kosten, zu Sowieso-Aufwendungen sowie Einnahmepotentiale berücksichtigen und auch eine stufenweise Realisierung mit betrachten,
3) das ehrenamtliche Engagement des Vereins „Rettet die Talsperre Euba e. V.“ durch Einbeziehung praktisch zu würdigen,
4) in Orientierung an den Ergebnissen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen im letzten Schritt auch Möglichkeiten einer Kofinanzierung durch zu beteiligende Dritte zu berücksichtigen.
Mit der Überprüfung ist unmittelbar nach den derzeit beim Tiefbauamt geführten Untersuchungen zur Umgestaltung des Absperrbauwerks zu beginnen, wobei deren Ergebnisse ebenso wie zeitnah durch das Umweltamt zu erarbeitende, naturschutzfachliche Bewertungen in die Betrachtungen einzubeziehen sind.
Für die Bearbeitung ist die Stadtratsbeschlussfassung bis Mitte 2018 einzuplanen. Die Beschlussvorlage ist im Ortschaftsrat Euba, im Agenda-Beirat sowie im Planungs-, Bau- und Umweltausschuss (PBUA) vorzuberaten. Der Ortschaftsrat Euba, der Agenda-Beirat und der PBUA sind in Form einer Beratungsvorlage spätestens bis zum Dezember 2017 einzubeziehen.
Begründung:
Gemäß der „Öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über die Eingliederung der Gemeinde Euba in die Stadt Chemnitz“ (Eingliederungsvereinbarung) vom März 1994, § 10 Infrastruktureinrichtungen, Anlage 4, Schwerpunkt 1.1 „Natur- und Erholungsbad Talsperre Euba“, soll nunmehr der darin formulierte, vorbehaltliche Anspruch zur Revitalisierung des Talsperrenstandorts überprüft werden.
Die Talsperre Euba gehört zum baukulturellen Erbe unserer Stadt. Die Staumauer entstammt derselben Entstehungszeit, in der in Chemnitz bedeutsame Viadukte, Kirchenbauten, die ersten großen Trinkwassertalsperren und ganze Gründerzeit-Wohngebiete entstanden. Bruchsteinmauern historischer Talsperren besitzen einen hohen baukulturellen Wert, der insbesondere für die Region Südwestsachsen im Zeichen der industriellen Entwicklung identitätsstiftenden Charakter besaß. Gerade für die beabsichtigte Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt sollten diese Bauwerke bzgl. ihres Alleinstellungsmerkmals hervorgehoben werden, welches sie innerhalb Deutschland nur mit dem Rhein-Ruhr-Gebiet teilen.
Durch die Standortrevitalisierung könnte auch die verlorene Wasserfläche als Lebensraum wieder entstehen. Andererseits würde es einen Eingriff in den Naturraum geben, der durch sofortige naturschutzfachliche Begleitung auf das erträgliche Maß zu begrenzen ist. Besonderes Augenmerk ist auf das nahegelegene Naturschutzgebiet „Am Eibsee“ zu richten, das in keiner Weise beeinträchtigt werden darf.
Nach dem Wegfall ihrer ursprünglichen Nutzung zur Brauchwasserversorgung für die Deutsche Reichsbahn wurde die Wasserfläche der Talsperre Euba mehr als 25 Jahre lang als stadtweit sehr beliebtes Bade- und Erholungsgebiet genutzt. Somit ist sie – über Kindheits- und Jugenderinnerungen – Teil der Identität vieler Chemnitzerinnen und Chemnitzer und wichtige Inspiration für die weit über die Ortsgrenzen von Euba reichende Unterstützung des Vereins „Rettet die Talsperre Euba e. V.“.
Seitdem ab Ende der 1980er Jahre keine Nutzung der Talsperre mehr erfolgt, ist das Absperrbauwerk zunehmend dem Verfall preisgegeben. Zugleich müssen jährlich maßgebliche Kosten für die nötige Sicherung und Verfallsbegrenzung sowie die Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Wasserdurchleitung des Talsperrenbachs aufgebracht werden; und das alles für einen dennoch unbefriedigenden Zustand.
Mangelhafte Funktion führte beim Junihochwasser 2013 zu einem problematischen, nicht zulässigen Hochwassereinstau.
Dem gegenüber steht die Idee, nach dem Stopp des weiteren Verfalls eine mittel- bis langfristig wirtschaftliche und zum Beispiel durch touristische Nutzungen auch den Ortsteil Euba belebende Lösung zu finden.
Das Absperrbauwerk der Talsperre steht unter Denkmalschutz, so dass nach derzeitiger Einschätzung ein Abbruch nicht genehmigungsfähig ist. Diese Situation erfordert ein Nachdenken über Alternativen. Die vorbehaltliche Verpflichtung aus dem Eingliederungsvertrag zur Bestandssicherung und -entwicklung für den Talsperrenstandort muss jedoch, gleicher Quelle folgend, „dem Gedanken der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ entsprechen. Neben den entstehenden, maßgeblichen Kosten wären mit einer Revitalisierung des Standorts auch Ertragsaussichten sowie künftig teilweise oder vollständig vermiedene Aufwendungen verbunden. Die Gesamtwirtschaftlichkeit unter Beachtung dieser gegenläufigen Wirkungen ist noch nicht betrachtet worden bzw. ist eine solche Betrachtung nicht bekannt. Zumindest diesen Nachweis vorzulegen, lässt sich als Anspruch der Ortschaft Euba aus dem Eingliederungsvertrag ableiten, siehe oben.
Der Gedanke einer stufenweisen Sanierungsumsetzung (Teilsanierung, evtl. auch zeitweiliger oder sogar dauerhafter Teileinstau) sollte zur realistischen Abbildung der haushaltsrechtlichen Möglichkeiten in der Umsetzungskonzeption ebenso berücksichtigt werden.
Ein Natur- und Erholungsbad, oder aber auch andere Bad- und Freizeitnutzungen können und sollten andere Nutzerkreise ansprechen, als die kommunal betriebenen Freibäder, insbesondere das Gablenzer Bad. Zudem ist, bei Wahrung der kommunalen Sicherungsverpflichtung für die Talsperrenmauer, keine kommunale Betreibung vorzusehen. Im Ergebnis der zu führenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und in Orientierung an diesen sind daher die Möglichkeiten einer Kofinanzierung durch interessierte Dritte zu überprüfen. Hierfür zeichnen sich bereits jetzt mehrere denkbare Interessenten ab, die bei der (teilweisen) Schließung bestehender Finanzierungslücken mitwirken könnten.
Abstimmung im Stadtrat:
Ja: 32, Nein: 3, Enthaltungen: 8
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