Ein deutliches Bekenntnis zu Rechtstaatlichkeit, eine Rückkehr zu einem vernünftigen Umgang miteinander und zuallererst die Stärkung der Zivilgesellschaft sind für die SPD Chemnitz die notwendigen Schritte nach den Geschehnissen der letzten Tage.
Deutliche Worte fand der Fraktionsvorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion Detlef Müller in der heutigen Sitzung des Chemnitzer Stadtrats:
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
liebe Chemnitzerinnen und Chemnitzer,
liebe Gäste
als vor vier Tagen unsere Stadt friedlich und ausgelassen das Stadtfest feierte, war nicht zu erwarten gewesen, wie sich unsere Stadt innerhalb kürzester Zeit verändern sollte. Der Schock und die Trauer über die Tragödie, die sich in der Nacht des 26.08. ereignete, hat uns alle betroffen gemacht und unser tiefes Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen, Frau und Kind. Ich weiß, dass vielen am Sonntag Betroffenheit ins Gesicht geschrieben stand.
Am Sonntagabend kam ein anderes Gefühl dazu. Fassungslosigkeit trifft es ziemlich genau: Mit äußerster Gewaltbereitschaft, enthemmter Zerstörungswut und dem Willen zur Lynchjustiz zog ein Aufmarsch durch Chemnitz. Die Bilder von den Jagdszenen machen fassungslos. Sie machen aber nicht sprachlos:
Lynchjustiz und Gewaltausbrüche können und dürfen wir nicht dulden. Wir leben im Rechtsstaat, in dem zuerst ermittelt und aufgeklärt wird, anschließend übernehmen die Gerichte. Was wir wissen ist, dass die Polizeidirektion Chemnitz zielstrebig ermittelte und zügig erste Erkenntnisse erlangen konnte. Den ermittelnden aber vor allem den im Einsatz befindlichen Beamtinnen und Beamten sprechen wir daher zuallererst unseren Dank aus, angesichts der unangemessenen Personalstärke lastete auf ihnen ein gewaltiger Druck.
Erschreckend ist, wie zu den Ermittlungen durch das Befeuern der Gerüchteküchen, Lügen und Hasstiraden im Internet eine Stimmung erzeugt wird, aus der sich eine Bereitschaft zur Selbstjustiz entwickelt. Von einem Austauschen von Fakten brauchen wir überhaupt nicht sprechen, dafür ist keinerlei Gesprächsbereitschaft vorhanden.
Das muss hier und überall so offen gesagt werden. Es ist unsere Aufgabe als Stadtgesellschaft, die Diskussion um die Vorgänge am Sonntag und Montag zivil und mit Anstand zu führen. In dieser Verantwortung stehen daher auch wir hier, als Stadträtinnen und Stadträte. Das Geschehene darf uns nicht sprachlos machen. Und die Sache muss beim Namen genannt werden:
Chemnitz hat seit Sonntagabend unbeschreibliche Zustände erlebt, ein randalierender rechter Mob zog durch die Stadt, nicht einmal, sondern zweimal. Und wer sich am Montag erneut einreihte, macht sich mit denen gemein, die an beiden Abenden anschließend Jagd auf ausländisch aussehende Menschen und Andersdenkende machten.
Das ist der Fakt. Genauso ist aber auch Fakt, dass die Mehrheit der Chemnitzerinnen und Chemnitzer am Montag nicht mit menschenverachtenden Parolen durch die Straßen zogen. Wenn wir aber erleben müssen, dass der Freistaat Sachsen sein Gewaltmonopol der Straße überlässt, entsteht ein gefährlicher Strudel der Gewalt.
Über die Personalpolitik im Freistaat zu diskutieren, kann auch keine Entschuldigung sein. Der Rechtsstaat in Sachsen muss sich das Gewaltmonopol zurückholen. Und wir als Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht sprachlos sein, sondern Demokratie und Rechtsstaat verteidigen – offen, sichtbar, mit Zivilcourage!