25 neue Stolpersteine werden heute in Chemnitz verlegt und eingeweiht. An elf Orten im ganzen Stadtgebiet wird an Menschen erinnert, die aus ihrer Stadt vertrieben & deportiert, die verfolgt oder ermordet wurden.
Eine der sehr bewegenden Stolpersteinverlegung fand heute vor dem Haus an der Reichenhainer Straße 8 im Gedenken an die Familie Bauer statt. Im Beisein des Sohns und der Enkeltochter von Adela Bauer, die eigens aus den USA angereist waren, wurde der Opfer der Shoa gedacht.
1913 floh Uhrmacher David Josef Bauer mit seiner Frau Gitel und seinem kleinen Sohn Leo wegen der ständigen antisemitischen Pogrome und kam kurz nach Ausbruch des ersten Weltkriegs nach Sachsen, wo sie in Chemnitz heimisch wurden und drei weitere Kinder zur Welt kamen, darunter auch Adela.
Auf ein sehr bewegtes Leben im Spannungsfeld der Geschichte des 20. Jahrhunderts kann auch der Sohn Leo Bauer zurückblicken.
Michael Müller als Pate des Stolpersteins für Leo Bauer konnte heute bei der Einweihung Interessantes aus dem Leben Leo Bauers berichten:
In Chemnitz schloss sich Leo Bauer der sozialdemokratischen Jugend an, später ging er nach Berlin und wurde Kommunist. Die Nazis inhaftierten ihn bereits kurz nach der Machtergreifung im März 1933. Durch eine glückliche Fügung wurde er freigelassen und floh ins Ausland. Leo Bauer überlebte den Holocaust.
Sein Leben nahm auch nach dem Krieg einen schicksalhaften Verlauf. So kehrte er nach Deutschland zurück und schloss sich der Kommunistischen Partei in Hessen an. Als er Anfang der 1950er Jahre in die DDR ging, geriet er in die Mühlen der antisemitischen Schauprozesse in den stalinistischen Ländern des Ostblocks und wurde wegen angeblicher Spionage zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde in 25-jährige Lagerhaft umgewandelt und Leo Bauer kehrte 1955 gemeinsam mit den letzten deutschen Kriegsgefangenen erneut nach Deutschland zurück.
Er schloss sich wieder der SPD an und wurde zu einem engen Berater von Bundeskanzler Willy Brandt. Bis zu seinem Tod im Dezember 1972 wurde er von der konservativen und rechtsextremen Presse als „Moskaus Spion“ diffamiert und angefeindet. Willy Brandt würdigte Leo Bauer als einen „Kämpfer“ für eine „neue Gesellschaft, die eine Welt der freien Menschen sein soll“.
Leo und Adela überlebten, weil sie frühzeitig emigrierten, die Eltern und Bruder Max starben nach der Vertreibung im Ghetto Tarnopol, die jüngste Schwester überlebte den Holocaust mit Hilfe eines deutschen Majors. Ab heute erinnern Stolpersteine in der Reichenhainer Straße an die Schicksale der Familie Bauer, die in unserer Stadt als erfolgreiche Handwerker, politisch Engagierte Jugendliche – als Nachbarinnen und Nachbarn – lebten.
