Am 6. März beschloss der Chemnitzer Stadtrat auf Initiative von SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einstimmig, all jene Stadtverordneten zu ehren, die im Nationalsozialismus zu Tode kamen.
In der Folge hatte das Stadtarchiv 10 Stadtverordnete aus den Fraktionen von SPD und KPD ermittelt, die in den Jahren bis 1933 ein Mandat als Stadtverordneter innehatten und die durch den NS zu Tode kamen: Ermordet im Konzentrationslager, niedergeschossen durch die SA, an den Folgen der KZ-Haft verstorben.
Ihnen gedachte unsere stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jacqueline Drechsler heute mit den folgen Worten:
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Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Herren Bürgermeister,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
liebe Chemnitzerinnen und Chemnitzer,
unter den auf dieser Tafel genannten Stadtverordneten sind auch vier Angehörige der SPD-Fraktion zu finden.
Stadtverordnete haben damals, wie heute die Stadträtinnen und Stadträte ehrenamtlich zum Wohle der Chemnitzer Bevölkerung die Geschicke unserer Stadt in die Hand genommen.
Für unsere Fraktion war es zu jeder Zeit wichtig, breite Bereiche der Stadtgesellschaft abzubilden.
So brachte ein Arthur Strobel als Bevollmächtigter des Metallarbeiterverbandes die Perspektive derer, die damals in Chemnitzer Fabriken arbeiteten, in die Fraktionsarbeit ein.
Kurt Nadebor war selbst als Bohrer in der Industrie beschäftigt und Georg Landgraf bereicherte als Angestellter im Verlag der „Volksstimme“ die Fraktion mit seiner Sicht auf die Dinge.
An die Ermordung Georg Landgrafs wird mit einem Stolperstein auf dem Gelände der damaligen Druckerei an der Dresdner Straße gedacht.
Im Jahr 1933 war er selbst kein Stadtverordneter mehr, hatte dieses Mandat jedoch 14 Jahre ausgeübt, von 1926 bis 1930 zudem als Stadtverordnetenvorsteher.
Er hat unsere Stadt wesentlich mitgeprägt.
Er engagierte sich unter anderem für die Kultur- und Theaterlandschaft – sein prägendstes Erbe ist jedoch die Wohnungsbaupolitik der 20er Jahre.
Er selbst hatte sich in Wien vom dortigen bis heute weithin bekannten Gemeindebau ein Bild gemacht und setzte sich mit der SPD-Fraktion dafür ein auch für Chemnitz ein passendes Modell zu schaffen.
1928 wurde die Wohnhausbau Chemnitz GmbH gegründet und noch heute leben viele Chemnitzerinnen und Chemnitzer im Robert-Straube-Hof in Bernsdorf oder auf der Humboldthöhe.
Dort wurden für die Bewohnerinnen und Bewohner für damalige Verhältnisse bemerkenswerte Standards geschaffen und was Georg Landgraf als Stadtverordneter bewirkt hatte, wurde deutlich, als nach 1930 mit neuen Mehrheiten in der Stadtverordnetenversammlung der kommunale Wohnungsbau massiv zurückgefahren wurde.
Mit dem zeitgleichen Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise brach der private Wohnungsbau zusammen – Elend und Wohnungslosigkeit griffen um sich.
Wer also nach sozialdemokratischen Spuren in unserer Stadt sucht, wird an Georg Landgraf nicht vorbeikommen.
Als er sich der SA bei der widerrechtlichen Besetzung des Verlagshauses am 09. März 1933 widersetzte, wurde er einfach auf den Stufen zum Verlagsgebäude niedergeschossen.
Die heute eingeweihte Gedenktafel soll an zehn Männer, die unsere Stadt als ehrenamtliche Kommunalpolitiker voranbrachten, erinnern.
Sie dient aber auch der Mahnung, wie schnell eine mühsam erkämpfte Demokratie und die daraus folgende kommunale Selbstverwaltung abgeschafft, wie Recht gebrochen und engagierte Menschen ermordet, inhaftiert, mundtot gemacht wurden.
In Chemnitz sehen wir diesen Niedergang darin, dass der 1932 von den Chemnitzerinnen und Chemnitzern gewählte Stadtrat schon Anfang 1933 durch Inhaftierungen und herbeigeführte Rücktrittsgesuche sozusagen aus den Angeln gehoben wurde.
Symbolische und zugleich irrationale Entscheidungen waren das Einzige, was die verbliebenen Stadtverordneten zustande brachten:
Straßenumbenennungen, Schikanen gegenüber den anderen Fraktionen und Stadtverordneten und die Schließung der Chemnitzer Volkshochschule – das waren die „Schwerpunkte“ der Chemnitzer Kommunalpolitik im Frühjahr 1933.
Was folgte, wissen wir alle:
Die Verbrechen des Nationalsozialismus kosteten Millionen Menschenleben.
In Chemnitz mahnen heute 216 Stolpersteine stellvertretend für das Schicksal der unzähligen Opfer in unserer Stadt.
Ihrer erinnern wir uns am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar sowie im Rahmen von Veranstaltungen aus Anlass der Pogromnacht am 9. November.
Lassen Sie uns fortan an diesem Ort des Unrechts der Jahre 1933-1945 gedenken und zugleich immer mahnen, wie schnell eine demokratische kommunale Selbstverwaltung hinweggefegt wurde.
Wir danken den Stadträtinnen und Stadträten der vorangegangenen Legislatur, dass sie ihre Zustimmung für diesen Gedenkort gegeben haben und der Verwaltung für die Umsetzung.
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