
Als die NSDAP im November 1932 sowohl bei den Reichstagswahlen als auch bei Kommunalwahlen erhebliche Stimmen verlor, glaubten viele bereits, diese Partei hätte ihren Höhepunkt bereits überschritten.
So erklärte der damalige SPD-Reichstagsabgeordnete Kurt Schumacher – der erste Nachkriegsvorsitzende der SPD – am 22. Januar 1933 auf einer Massenkundgebung in Chemnitz, die Gefahr einer nationalsozialistischen Parteidiktatur sei gebannt und es müsse nur noch eine Regierungsbeteiligung der NSDAP verhindert werden. Auch die KPD verkannte die Situation vollständig: Am 5. Januar 1933 akzeptierte sie in Chemnitz Leihstimmen der NSDAP bei der Wahl des Stadtverordneten-Vorstehers und auch des 1. Stellvertreters.
Gleiches geschah in Zwickau, Lugau und anderen Orten.
Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar setzte der Terror der Nazis in voller Schärfe ein. Am 2. März – drei Tage vor der Reichstagswahl – wurde die Chemnitzer „Volksstimme“ verboten.
Bei der Wahl gelang es der NSDAP nicht, die absolute Mehrheit zu gewinnen. Auch in Chemnitz kam sie nur auf 44,7 %, die SPD erhielt 24,7 %. Die SPD erhielt nur 2.080 Stimmer weniger als im November 1932. Die NSDAP erzielte ihren Stimmen-Gewinn vor allem bei den früheren Nicht-Wählern.

Die Chemnitzer SPD konnte wieder Bernhard Kuhnt und Kurt Uhlig in den Reichstag entsenden. Aber nur Uhlig konnte das Mandat zunächst antreten und auch am 22. März im Reichstag gegen das Ermächtigungsgesetz stimmen. Kuhnt aber wurde nur vier Tage nach der Reichstagswahl verhaftet. In einem großen Handwagen, den ebenfalls verhaftete Stadtverordnete ziehen mussten, wurde er duch die Stadt gekarrt und gezwungen, Wahlplakate zu entfernen.
Neben Kuhnt wurden auch 8 der 17 sozialdemokratischen und mehrere kommunistische Stadtverordnete verhaftet. Zugleich wurden an diesem Tag zahlreiche öffentliche Gebäude und Einrichtungen von der SA besetzt. Auch das Verlagsgebäude der „Volksstimme“ – unser heutiges Georg-Landgraf-Forum – war davon betroffen.
Dabei wurde der Geschäftsführer des Verlags, der Stadtverordnete Georg Landgraf auf den Stufen des Gebäudes erschossen.
Am nächsten Tag berief die NSDAP eine Tagung der Stadtverordneten-Versammlung ein, die wegen der Rechtswidrigkeit von allen anderen Fraktionen – selbst den Deutschnationalen – abgelehnt wurde. Sie nutzte dies, um die kommunale Macht an sich zu reisen.
Mehrere SPD-Stadtverordnete wurden bereits im April nach Schloss Sachsenburg gebracht und mussten dann im Spinnerei-Gelände an der Zschopau das KZ mit aufbauen, in das im Mai auch Bernhard Kuhnt gebracht wurde. Andere blieben im Polizeigefängnis.
Kurt Uhlig konnte Ende April/Anfang Mai in die Tschechoslowakei fliehen. Der Chemnitzer Landtagsabgeordnete Karl Böchel, am 9. März im Landtag von SA schwer misshandelt und ins Krankenhaus eingeliefert, konnte im Mai ebenfalls in die Tschechoslowakei entkommen. Auf der Reichskonferenz der SPD in Berlin am 26. April wurde er aber in den Parteivorstand gewählt. Ende April wurden die Chemnitzer Turnhallen des Arbeitersports von den Nazis beschlagnahmt.
Dem Verbot der freien Gewerkschaften am 2. Mai folgte am 22. Juni das Verbot der SPD. [Dieter Häcker]
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