Radrennbahn Altendorf

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Radrennbahn in Altendorf
Radrennbahn in Altendorf [1928]

Eine der bedeutendsten Stätten des Chemnitzer Arbeitersports war die Radrennbahn im früheren Vorort Altendorf. Erworben wurde das Gelände 1908 von dem Bauverein „Westend“. Die Zementradrennbahn wurde am 17. Oktober 1909 mit zwei Steherrennen und einem Flieger-Rennen (Sprint) eingeweiht. In den folgenden Jahren wurde das Areal durch eine Festhalle, einen Gaststättenkomplex und weitere Sportplätze erweitert. 1910 fand auf dem Gelände das sächsische Arbeiterturnfest statt.

SporthalleRadrennbahn1912Am Abend des 15. September 1912 zogen tausende Arbeiterinnen und Arbeiter zum Zementoval in der damaligen Limbacher Straße 137. In der Sport- und Festhalle neben der Radrennbahn eröffnete Max Müller (im Bild), damaliger Parteivorsitzender der Chemnitzer SPD, vor siebentausend Teilnehmern den Parteitag der Deutschen Sozialdemokratie. Der Mythos, dass August Bebel anlässlich des Parteitags auf der Radrennbahn gesprochen hat, kann nicht bestätigt werden.

August Bebel erlebte in Chemnitz seinen letzten Parteitag. Auf Grund seines Gesundheitszustandes rieten ihm die Ärzte von großen Auftritten ab. Er wirkte daher nur im Hintergrund.

Seine Blüte erlebte das Gelände Mitte der 1920er Jahre. Pfingsten 1924 meldeten die Veranstalter eine Rekordkulisse von 33.000 Zuschauern. Ende der 1920er Jahre fanden im Oval sogar Autorennen statt. Der Innenraum, die gewaltige Sporthalle und das übrige Gelände wurden darüber hinaus für Ausstellungen und Pferdesportveranstaltungen genutzt.

Die Mega-Arena steckte mit Beginn der Weltwirtschaftkrise in finanziellen Schwierigkeiten. Zwischen 1935 und 1940 drohte mehrfach die Pleite. 1938 verschmolzen die Radrennbahnen Chemnitz und Erfurt zu einem Unternehmen. Die Deutsche Steher-Meisterschaft 1940 war das letzte Rennen im Zementoval.

Danach diente das Gelände bis 1945 als Kriegsgefangenen-Lager. Beim Luftangriff am 14. Februar 1945 wurden Radrennbahn und Nebengebäude schwer getroffen. 4 Kriegsgefangene starben.

Nach dem Krieg entschied sich die Stadtverwaltung nicht für eine Wiederherstellung der Altendorfer Rennbahn, die damit verfiel. Die Ruinen um die Rennbahn standen noch bis in die 1960er Jahre. Teile der Wälle sind heute noch erkennbar. In dieser Zeit übernahm die Chemnitzer Handwerkskammer das Gelände und errichtete zunächst einen Sportplatz für ihre SG Handwerk. In den Folgejahren auch eine neue Turnhalle mit Kegelbahn.

Im Jahr 1994 erfolgte die Grundsteinlegung für ein neues Bildungs- und Technologiezentrum. 1998 folgte das heutige Verwaltungsgebäude (siehe Fotos). Aktuell betreut die Handwerkskammer Chemnitz über 24.000 Unternehmen im gesamten Kammerbezirk, bildet in 30 Berufsbildern aus und vergibt jährlich über 350 Meisterbriefe.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die „alte“ Radrennbahn in Altendorf wohl einer der beliebtesten Treffpunkte des Chemnitzer Arbeitersports Anfang des 20. Jahrhunderts war. In vielen Arbeitersportvereinen waren Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aktiv. Sie galten als beliebte Vorfeldorganisation der Sozialdemokratischen Bewegung, siehe Artikel zum Arbeiterturnsport in Chemnitz.  [Jörg Vieweg]

Literatur:
Altendorf „Eine Chemnitzer Stadtteilgeschichte“ von Dieter Häcker, Verlag Heimatland 2012
Fotos:
Gunnar Baumann, Verlag Heimatland Sachsen und Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)

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