Das Ausflugs-, Konzert- und Tanzlokal wurde 1866 von Ernst Richter erbaut.
Entlang der Zwickauer Straße herrschte damals mächtiger Trubel. Sie war Teil der damaligen Frankenstraße, die weiter nach Zwickau, Plauen, Hof und Nürnberg führte. Entlang der Chaussee entstanden nahezu 100 Gaststätten, Ballsäle, Kinos und Theater.
Tausende Menschen wohnten, lebten und arbeiteten in den ehemaligen Vororten: Nicolaivorstadt, Kappel, Schönau, Neustadt, Siegmar und Reichenbrand.
Entlang dieser Magistrale entwickelte sich somit eine Kneipen- und Vergnügungsmeile der Stadt.
Als das „schönste Vergnügungs-Etablissement Sachsens mit 3 Sälen, 6000 Personen fassend“ bezeichnete sich das Haus „Wintergarten“ in Schönau selbst. Es beherbergte den Tropfsteingrottensaal „Flora“ und das Varieteetheater „Krystallpalast“.
Die damaligen Wirte hatten entgegen vieler ihrer Berufskollegen wenig Berührungsängste mit den Chemnitzer Sozialdemokraten und bewirteten gern politische Veranstaltungen und Arbeiterversammlungen.
Nachdem der Kaufmännische Verein die Aufnahme der SPD in sein damaliges „Kaufmännisches Vereinshaus“ an der Moritzstraße ablehnte, fand 1912 im Wintergarten der „Parteitag der Deutschen Sozialdemokratie“ statt. Für das Haus war dies eine der größten Veranstaltungen in seiner relativ kurzen Geschichte und eine gewaltige logistische Herausforderung. Eine ganze Woche lang tagte hier das Arbeiterparlament mit hunderten Delegierten, begleitet von tausenden Anhängern und Gästen aus dem In- und Ausland.
Im Jahr 1918 erwarben die benachbarten Wandererwerke das Gebäude und nutzten es zur Produktion. 1936/37 erfolgte ein Teilabriss, im letzten Kriegsjahr 1945 wurde ein weiterer Gebäudeteil von Bomben zerstört. Die noch erhaltenen Reste wurden 1955 entfernt. An ihrer Stelle entstand ein Sozialgebäude des damaligen Industriewerkes.
Heute erinnern nur noch die Kastanien aus dem ehemaligen Garten des Hauses an das einst glanzvolle Konzert- und Ballhaus. [Jörg Vieweg]
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